Studie zeigt: Männer neigen dazu, ihre Intelligenz zu überschätzen
Es ist ein Phänomen, das vielen Menschen bekannt vorkommen dürfte: Männer tendieren dazu, ihre intellektuellen Fähigkeiten zu überschätzen, während Frauen in der Regel bescheidener sind, wenn es um die Einschätzung ihrer eigenen Intelligenz geht. Diese Selbstüberschätzung bei Männern wird von Fachleuten als Teil eines größeren Musters beschrieben, das in der Psychologie als „arrogante Männlichkeit“ bekannt ist – im Gegensatz zur „demütigen Weiblichkeit“. Eine neue Studie untersucht nun, warum Männer dazu neigen, ihr IQ-Potenzial höher einzuschätzen als es in Wirklichkeit der Fall ist, und welche Folgen das für den Einzelnen und die Gesellschaft haben kann.
Die Kluft in der Selbstwahrnehmung
Es gibt einen grundlegenden Konsens in der kognitiven Psychologie, dass Männer und Frauen im Hinblick auf ihre allgemeine Intelligenz gleich sind. Das bedeutet, dass es keine signifikanten Unterschiede gibt, wenn es um IQ-Tests geht. Dennoch zeigt sich immer wieder, dass Männer sich selbst als intelligenter einschätzen als sie tatsächlich sind, während Frauen diese Selbstwahrnehmung viel realistischer und oft zu niedrig ansetzen.
Dies führt zu einem bemerkenswerten Widerspruch: Während die tatsächlichen kognitiven Fähigkeiten der Geschlechter weitgehend übereinstimmen, ist die Art und Weise, wie Menschen ihre eigene Intelligenz wahrnehmen, oft von kulturellen und gesellschaftlichen Faktoren beeinflusst. Und diese verzerrte Wahrnehmung hat weitreichende Auswirkungen auf die Karriere und den Lebensweg der Betroffenen.
Kognitive Verzerrungen und gesellschaftliche Einflüsse
Ein zentraler Aspekt, warum Männer ihre Intelligenz häufig überschätzen, liegt in mehreren kognitiven Verzerrungen. Eine davon ist der „Überlegenheits-Effekt“ – ein Phänomen, bei dem Menschen dazu neigen, sich in allen Bereichen, die als gesellschaftlich erstrebenswert gelten, für besser als der Durchschnitt zu halten. Ein weiteres Phänomen, das besonders bei Männern zu beobachten ist, ist der Einfluss des Selbstwertgefühls. Männer mit einem hohen Selbstwertgefühl sind eher geneigt, ihre kognitiven Fähigkeiten überschätzt, während Menschen mit einem niedrigen Selbstwertgefühl, wie es häufig bei Frauen der Fall ist, ihre eigenen Fähigkeiten realistischer einschätzen.
Zusätzlich spielen gesellschaftliche Normen eine große Rolle: Von klein auf werden Jungen ermutigt, selbstbewusst aufzutreten und ihre Fähigkeiten zu betonen. Mädchen hingegen erleben oft, dass ihre Fähigkeiten unterschätzt oder in Frage gestellt werden. Diese Rollenerwartungen beeinflussen die Selbstwahrnehmung und die Karriereentscheidungen der Geschlechter maßgeblich.
Die Rolle von Eltern und Erziehung
Eine interessante Studie aus dem Jahr 1998 belegt, dass Eltern nicht nur die Intelligenz ihrer Kinder überschätzen, sondern dass sie auch ihre Söhne häufiger als intelligenter einstufen als ihre Töchter. Diese elterlichen Wahrnehmungen können tiefgreifende Auswirkungen auf die Schulbildung und die Berufswahl von Kindern haben. In vielen Fällen prägt die Art und Weise, wie Eltern das Potenzial ihrer Kinder sehen, deren Zukunft – insbesondere wenn es darum geht, ob und in welchem Maße sich Kinder in technischen oder wissenschaftlichen Bereichen engagieren.
Selbstüberschätzung und der Einfluss von „psychologischem Geschlecht“
In der Studie, die von Psychologe David Reilly geleitet wurde, wurde auch ein faszinierender Aspekt untersucht: das Konzept des „psychologischen Geschlechts“. Dabei geht es nicht nur darum, ob jemand biologisch männlich oder weiblich ist, sondern auch darum, wie stark er oder sie maskuline oder feminine Persönlichkeitsmerkmale ausprägt. Die Studie zeigte, dass nicht nur Männer, sondern auch Frauen mit stärker ausgeprägten maskulinen Eigenschaften ihre Intelligenz häufiger überschätzen.
Das bedeutet, dass es nicht nur das biologische Geschlecht ist, das die Wahrnehmung von intellektuellen Fähigkeiten beeinflusst, sondern auch die gesellschaftlichen Rollenzuschreibungen, die mit dem Geschlecht verbunden sind. Diese Erkenntnis unterstreicht, wie tief Geschlechterstereotype in unserer Gesellschaft verankert sind und wie sie das Selbstbild und die Karriereentscheidungen von Individuen prägen.
Folgen der Selbstüberschätzung für die Gesellschaft
Die Selbstüberschätzung von Männern hat jedoch nicht nur Auswirkungen auf den Einzelnen, sondern auch auf die Gesellschaft als Ganzes. Männer, die ihre intellektuellen Fähigkeiten überschätzen, sind eher geneigt, höhere Positionen in Unternehmen anzustreben, höhere Gehälter zu fordern und sich in Führungsrollen zu drängen. Diese überschätzte Wahrnehmung kann somit zu einem weiteren Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern führen, etwa im Hinblick auf die Lohnungleichheit oder die Karrierechancen.
In technischen Bereichen, die immer noch von Männern dominiert werden, sind es oft gerade diese Fehlwahrnehmungen, die dazu führen, dass Männer sich für Positionen bewerben, die sie womöglich nicht ausfüllen können, während Frauen, die ihre Fähigkeiten realistischer einschätzen, sich nicht trauen, sich für dieselben Stellen zu bewerben.
Fazit: Ein realistischeres Selbstbild ist notwendig
Die Selbstüberschätzung bei Männern und die Selbstunterschätzung bei Frauen sind nicht nur individuelle Phänomene, sondern sie wirken sich auch auf die Gesellschaft aus. Kulturelle und gesellschaftliche Normen, die das Selbstbewusstsein der Geschlechter beeinflussen, sollten dringend hinterfragt werden. Nur wenn sowohl Männer als auch Frauen in der Lage sind, ihre intellektuellen Fähigkeiten realistischer einzuschätzen, können sie ihre Berufschancen besser nutzen und faire Chancengleichheit in der Arbeitswelt erreichen.