Britische Arbeitsministerin bringt zweiten Brexit-Volksentscheid ins Spiel
Im Streit um den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union hat die britische Arbeitsministerin Amber Rudd einen zweiten Volksentscheid über einen Brexit ins Spiel gebracht. Sie wolle „kein Referendum im Allgemeinen“, sagte die ehemalige Innenministerin am Mittwochabend im Fernsehsender ITV. Wenn aber eine Einigung im Parlament vollständig scheitere, wäre eine weitere Volksabstimmung eine Option. Beim Referendum 2016 hatte Rudd für den Verbleib ihres Landes in der EU gestimmt.
Rudds Parteifreundin, die konservative Premierministerin Theresa May hat sich wiederholt gegen ein zweites Referendum ausgesprochen. Sie argumentiert, das dies bedeute, sich über den Wählerwillen hinwegzusetzen. Die Briten hatten im Juni 2016 mit knapp 52 Prozent für einen Austritt des Königreichs aus der EU votiert.
Die Frage, ob ein zweiter Volksentscheid eine plausible Möglichkeit sei, verneinte ein Regierungssprecher am Donnerstag. Er fügte hinzu, May sei entschlossen, das Parlament über den mit der EU Ende November nach 17 schwierigen Verhandlungsmonaten erzielten Vertragsentwurf für einen geordneten Brexit abstimmen zu lassen.
Mays regierende Tory-Partei ist tief gespalten. Die Premierministerin verschob eine für den 11. Dezember vorgesehene Abstimmung über den Vertragsentwurf im britischen Unterhaus trotz konservativer Mehrheit wegen einer drohenden Ablehnung auf Mitte Januar. Ein von Brexit-Hardlinern ihrer eigenen Partei angestrengtes Misstrauensvotum gegen die Parteivorsitzende überstand sie – auch wenn ein Drittel ihrer Parteikollegen gegen sie stimmte.
Die innerparteilichen Meinungsverschiedenheiten erhöhen die Wahrscheinlichkeit eines „harten Brexit“ ohne jegliches Abkommen. Das Ausscheiden Großbritanniens aus der EU ist für den 29. März vorgesehen.
Der Abgeordnete Owen Smith von der oppositionellen Labour-Partei, ein Brexit-Gegner, begrüßte Rudds Äußerungen. Die Arbeitsministerin erkläre vielleicht als erstes Mitglied des konservativen Kabinetts, dass sie eine Abstimmung einem „katastrophalen Ausscheiden“ ohne Abkommen vorziehe, sagte er. Sie werde aber nicht die letzte bleiben.