Erstmals entdecktes Gen als Auslöser psychischer Erkrankung identifiziert

ADN
Erstmals ist es Wissenschaftlern gelungen, ein einzelnes Gen eindeutig als Auslöser einer psychischen Erkrankung zu bestimmen. Dieser Durchbruch ermöglicht neue Einblicke in die Entstehung und potenzielle Behandlung mentaler Störungen.
TL;DR
- GRIN2A-Mutation kann allein psychische Störungen auslösen.
- Symptome treten oft bereits im Kindesalter auf.
- L-Serin-Therapie zeigt erste Erfolge bei Betroffenen.
Einzelnes Gen stellt psychiatrische Forschung infrage
Die bisherige Lehrmeinung der psychiatrischen Genetik wurde in den vergangenen Jahren nur selten erschüttert – nun jedoch bringt eine internationale Forschergruppe unter Leitung von Wissenschaftlern der Universität Leipzig Bewegung in das Feld. Ihr Fokus: das Gen GRIN2A. Überraschenderweise deuten aktuelle Erkenntnisse darauf hin, dass schon eine einzige, sogenannte „null“-Mutation dieses Gens genügt, um schwere psychische Störungen hervorzurufen. Bislang war man davon ausgegangen, dass Erkrankungen wie Schizophrenie oder schwere Depressionen auf einem komplexen Zusammenspiel vieler genetischer Faktoren beruhen.
Frühe Manifestation und differenzierte Symptomatik
Besonders aufhorchen lässt die Tatsache, dass psychiatrische Symptome bei Trägern dieser GRIN2A-Veränderung häufig bereits im Kindes- oder Jugendalter auftreten – also deutlich früher, als es klassischerweise für solche Erkrankungen dokumentiert ist. Im Rahmen der bislang größten Erhebung zu diesem Thema wurden weltweit 121 Patienten mit einer GRIN2A-Anomalie untersucht. Auffällig: 25 von ihnen litten unter klar diagnostizierten psychischen Störungen wie Angststörungen, Psychosen oder Essstörungen. Bei nahezu allen betroffenen Personen lag eine vollständige Inaktivierung des Gens vor.
Differenzierte Diagnostik und Therapieoptionen im Fokus
Im Gegensatz zu bekannten Mutationen des Gens, die meist mit neurologischen Entwicklungsstörungen wie Epilepsie einhergehen, zeigten sich bei einigen Patienten ausschließlich psychiatrische Auffälligkeiten – ohne weitere neurologische Defizite. Mehrere Faktoren erklären diese überraschenden Beobachtungen:
- GRIN2A-Mutationen können offenbar isolierte psychische Leiden verursachen.
- Genetische Tests könnten künftig fester Bestandteil der psychiatrischen Diagnostik werden.
- Frühzeitige Identifikation ermöglicht potenziell individuell abgestimmte Behandlungswege.
Spannend erscheint auch die therapeutische Perspektive: Erste Behandlungsversuche mit dem Aminosäure-Präparat L-Serin, das bestimmte Signalwege des betroffenen Gens unterstützt, führten bei vier Patienten zu teils deutlichen Verbesserungen. Dazu zählten etwa weniger Halluzinationen oder eine Verhaltensbesserung. Allerdings bleibt die Aussagekraft wegen der kleinen Fallzahl begrenzt.
Künftige Forschung und neue Paradigmen
Der genaue Mechanismus, über den GRIN2A diese frühen psychiatrischen Störungen verursacht, ist noch nicht abschließend geklärt – dennoch setzt die Entdeckung einen starken Impuls für weiterführende Untersuchungen. Die Möglichkeit, einzelne psychische Erkrankungen auf spezifische genetische Ursachen zurückzuführen und entsprechend gezielter zu therapieren, könnte langfristig einen Paradigmenwechsel in der Psychiatrie anstoßen.