Große Studie zeigt, warum viele Erwachsene auf Sex verzichten

Eine aktuelle Untersuchung mit 400.000 erwachsenen Teilnehmern liefert neue Erkenntnisse darüber, weshalb einige Menschen auf Sex verzichten. Die Studie beleuchtet verschiedene Beweggründe und zeigt relevante Zusammenhänge zwischen Abstinenz und persönlichen Lebensumständen auf.
Tl;dr
Sexuelle Inaktivität: Ein gesellschaftliches und wissenschaftliches Phänomen
In vielen westlichen Gesellschaften nimmt Sexualität einen prominenten Stellenwert ein, sowohl als Teil individueller Identität als auch im kollektiven Diskurs. Dennoch gibt es eine Gruppe von Erwachsenen, die niemals intime Erfahrungen gemacht hat – eine Tatsache, die nach wie vor neugierig macht und viele Fragen aufwirft. Wer sind diese Menschen? Und wie lassen sich ihre Lebenswege erklären?
Weitreichende Studie liefert neue Einblicke
Eine international angelegte Untersuchung unter Leitung von Laura Wesseldijk, Abdel Abdellaoui, Karin Verweij (Amsterdam UMC) und Brendan Zietsch (The University of Queensland) hat erstmals systematisch das Phänomen der sexuellen Abstinenz analysiert. Dafür wurden fast 400.000 Briten im Alter zwischen 39 und 73 Jahren sowie über 13.000 Australier zwischen 18 und 89 befragt. Das zentrale Ergebnis: Etwa ein Prozent der befragten Männer und Frauen gab an, noch nie Geschlechtsverkehr gehabt zu haben.
Mehrere Faktoren erklären diese Entscheidung:
Soziale Umgebung ist nicht alles
Interessant erscheint, dass auch das soziale Umfeld Einfluss nimmt – aber eben nicht ausschließlich. So leben sexuell inaktive Männer vermehrt in Gegenden mit einem geringeren Anteil an Frauen. Außerdem ist der Anteil in Regionen mit hoher Einkommensungleichheit auffällig erhöht, ein Muster, das bereits aus amerikanischen „incel“-Foren bekannt ist.
Gleichwohl greift es zu kurz, allein dem sozialen Milieu die Verantwortung zuzuschieben. Genetische Analysen zeigen zwar keine spezifischen „Zölibatsgene“, aber immerhin etwa 15 Prozent der Unterschiede können auf genetische Faktoren zurückgeführt werden. Bemerkenswert: Es existieren genetische Überschneidungen mit Eigenschaften wie Introversion, Autismus-Spektrum-Störungen oder Anorexie; hingegen besteht eine negative Verbindung zu Suchtverhalten.
Moralische Urteile behindern wissenschaftlichen Fortschritt
Letztlich bleibt offen, ob Unzufriedenheit Ursache oder Folge des Mangels an Intimität ist – oder ob bewusste Enthaltsamkeit („Asexualität“) vom ungewollten Alleinsein zu unterscheiden ist. Die Studie betont jedoch: Nur eine vorurteilsfreie Auseinandersetzung mit dem Thema ermöglicht eine differenzierte Betrachtung fernab üblicher Stigmatisierungen – und dies ist sowohl für die Wissenschaft als auch für unsere Gesellschaft von zentraler Bedeutung.