Kunststoff in über der Hälfte der verstopften Arterien nachgewiesen

Mehr als die Hälfte der verstopften Arterien enthält Kunststoffpartikel, wie aktuelle Untersuchungen zeigen. Die Ergebnisse werfen neue Fragen zur Belastung des menschlichen Körpers durch Mikroplastik und potenzielle Gesundheitsrisiken auf.
Tl;dr
Mikroplastik: Neue Erkenntnisse im menschlichen Kreislaufsystem
Die Debatte um die Verbreitung von Mikroplastik erhält mit einer aktuellen italienischen Studie neue Brisanz. Während bislang das Hauptaugenmerk auf Umweltbelastungen lag, rücken jetzt direkte Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, insbesondere das Herz-Kreislauf-System, verstärkt in den Fokus. Ein Forschungsteam unter Leitung von Professor Raffaele Marfella an der Universität Campania hat sich der Frage gewidmet, wie tief diese winzigen Kunststoffpartikel tatsächlich in unsere Organe eindringen.
Mikroplastik in Arterien – Wie weit reicht die Belastung?
Mit fortschrittlichen Analysemethoden wie Pyrolyse und Massenspektrometrie untersuchte das Team Gewebeproben von 257 Patientinnen und Patienten, bei denen eine sogenannte Endarteriektomie der Halsschlagader notwendig war. In etwa 60 Prozent dieser Proben fanden die Wissenschaftler Polyethylen – den am häufigsten produzierten Kunststoff weltweit. Darüber hinaus wurde bei weiteren zwölf Prozent sogar PVC (Polyvinylchlorid) nachgewiesen. Diese Kunststoffe begegnen uns alltäglich, etwa als Tüten oder Flaschen. Eine auffällige Entdeckung: Unter dem Elektronenmikroskop zeigten sich die Plastikfragmente eingeschlossen in Makrophagen, also Immunzellen innerhalb der Gefäßablagerungen.
Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko: Gibt es einen Zusammenhang?
Fast drei Jahre lang begleiteten die Forschenden die Patientengruppe weiter. Hierbei offenbarte sich ein beunruhigender Trend: Menschen mit Mikroplastik in ihren Arterien entwickelten viermal häufiger einen Herzinfarkt, erlitten einen Schlaganfall oder verstarben früher als andere Patienten ohne solche Partikel. Ergänzend registrierte das Team bei Betroffenen deutlich erhöhte Entzündungsmarker im Blut.
Mehrere Faktoren erklären diese Entscheidung:
Forschungsbedarf und gesellschaftliche Relevanz
Obwohl frühere Laborversuche bereits toxische Effekte von Mikroplastik nahelegten, bleiben die genauen biologischen Mechanismen weiterhin ungeklärt. Wie Professor Philip J. Landrigan, Experte für öffentliche Gesundheit am Boston College, betont: „Der Nachweis von Mikroplastik im menschlichen Gewebe ist ein Wendepunkt – aber es bedarf dringend vertiefter Forschung zu den gesundheitlichen Konsequenzen.“ Angesichts der rapide steigenden globalen Kunststoffproduktion drängt sich eine Frage zunehmend auf: Wie können wir unsere Exposition gegenüber Mikroplastik minimieren und künftige Risiken besser einschätzen? Die aktuelle Studienlage liefert zwar erste Hinweise, endgültige Antworten stehen aber noch aus – Wachsamkeit und wissenschaftliches Engagement bleiben unerlässlich.