Zahlreiche Herzpatienten riskieren durch ein verbreitetes Medikament Unwirksamkeit und mögliche Gesundheitsgefahren

Millionen Menschen, die auf ein gängiges Herzmedikament angewiesen sind, könnten von mangelnder Wirksamkeit und potenziellen Risiken betroffen sein. Jüngste Analysen weisen auf erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich der Sicherheit und Effektivität der Therapie hin.
Tl;dr
Paradigmenwechsel bei der Behandlung nach Herzinfarkt
Über Jahrzehnte galten Beta-Blocker als unbestrittene Standardtherapie zur Prävention weiterer kardiovaskulärer Komplikationen, insbesondere nach einem erlittenen Herzinfarkt. Die gängige Praxis stützte sich auf Ergebnisse früherer klinischer Studien und wurde weltweit millionenfach angewendet. Doch angesichts rasanter medizinischer Fortschritte in der Kardiologie, wie dem Einsatz von Stents oder wirksamen Statinen, geraten die bisherigen Annahmen zunehmend ins Wanken.
Kritische Ergebnisse aktueller Studien
Ein europäisches Forschungsteam aus Spanien und Italien hat kürzlich mehr als 8.400 Patientinnen und Patienten mit überstandener Herzattacke in einer groß angelegten Studie begleitet. Alle Teilnehmenden wiesen eine linksventrikuläre Auswurffraktion von über 40 % auf, was auf eine weitgehend erhaltene Herzfunktion hindeutet. Rund die Hälfte erhielt weiterhin Beta-Blocker, während die andere Gruppe darauf verzichtete. Nach nahezu vier Jahren Beobachtung zeigte sich: Es gab keinerlei signifikante Unterschiede bei erneuten Infarkten, Krankenhausaufenthalten wegen Herzschwäche oder der Sterblichkeit.
Bedenkliche Auswirkungen insbesondere bei Frauen
Bemerkenswert – und für viele überraschend – fallen die Ergebnisse besonders für Patientinnen aus: Frauen, häufig älter und mit mehreren Begleiterkrankungen belastet, zeigten unter Beta-Blocker-Therapie eine erhöhte Komplikationsrate sowie eine gesteigerte Sterblichkeit. Der Effekt war am deutlichsten bei jenen Frauen ausgeprägt, deren Herzerholung am besten verlief oder die höhere Dosen erhielten. Bei Männern ließ sich ein solcher Zusammenhang nicht feststellen. Mehrere Faktoren erklären diese erhöhte Gefährdung:
Zukunftsperspektiven: Individualisierte Therapie statt Standardlösung
Im Licht dieser Erkenntnisse fordern namhafte Experten wie Borja Ibáñez vom National Centre for Cardiovascular Research, die medikamentöse Nachsorge von Herzinfarktpatienten neu zu bewerten. Das Ziel: Die individuelle Situation jeder einzelnen Person stärker zu berücksichtigen und Risiken gezielt abzuwägen. Auch wenn Beta-Blocker weiterhin eine zentrale Rolle bei der Behandlung von Herzrhythmusstörungen und Hypertonie spielen, scheint ihre pauschale Verordnung nach einem Infarkt überholt – ein bedeutsamer Schritt hin zu einer personalisierten Kardiologie in naher Zukunft.