Abgelaufene Medikamente: Wie wirksam sind sie laut Intensiv-Pharmakologe?

Ein Facharzt für Intensivmedizin erläutert, wie sich die Wirksamkeit abgelaufener Medikamente tatsächlich verhält und welche Risiken oder Nutzen mit deren Verwendung verbunden sein können. Aktuelle Erkenntnisse werfen neue Fragen zur Haltbarkeit auf.

Wie aussagekräftig ist das Verfallsdatum bei Arzneimitteln?

Der Blick auf das Verfallsdatum von Medikamenten führt in vielen Haushalten zu Unsicherheit: Muss der alte Flakon sofort entsorgt werden, sobald das angegebene Datum überschritten ist? Seitdem die US-Behörde FDA im Jahr 1979 verpflichtende Haltbarkeitsangaben einführte, hat sich diese Frage weltweit eingebrannt. Doch aktuelle Erkenntnisse fordern eine differenzierte Betrachtung: Das Ablaufdatum markiert vor allem den Zeitraum, für den Hersteller eine volle Wirksamkeit garantieren – nicht zwangsläufig einen festen Stichtag für den Wirkungsverlust.

SLEP: Wenn das Militär nachprüft

Besonders aufschlussreich ist ein Projekt der FDA gemeinsam mit dem US-Verteidigungsministerium, das sogenannte Shelf Life Extension Program (SLEP). Seit 1986 werden dort riesige Arzneimittelvorräte der Armee untersucht, um deren tatsächliche Haltbarkeit zu bestimmen. Das Ergebnis überrascht selbst Fachleute: Rund 88 Prozent der geprüften Bestände behielten ihre volle Wirkung noch mindestens fünf Jahre über das offizielle Datum hinaus – teilweise sogar bis zu fünfzehn Jahre. Entscheidend dabei bleibt jedoch die korrekte Lagerung fern von Feuchtigkeit und Licht. Diese Erkenntnisse lenken die Aufmerksamkeit auf die zentrale Rolle des richtigen Umgangs mit Arzneimitteln.

Nicht jeder Wirkstoff hält ewig

Allerdings profitieren nicht alle Medikamente gleichermaßen von dieser verlängerten Stabilität. Besonders kritisch sind:

• Insulin: verliert rasch an Wirksamkeit, was für Diabetiker lebensgefährlich sein kann.
• EpiPen-Spritzen sowie manche Herzmedikamente wie Nitroglyzerin: verlieren schnell ihre Effektivität.
• Flüssige Antibiotika oder alte Tetracycline: können sogar toxisch werden.

Im Gegensatz dazu zeigen solide Präparate wie Ibuprofen oder Paracetamol häufig noch lange Zeit Wirkung – sofern sie sachgerecht gelagert wurden.

Sorgfalt schützt Gesundheit und Geldbeutel

Wer Medikamente beurteilt, sollte auf Veränderungen in Farbe, Geruch oder Konsistenz achten. Bei unauffälligen Tabletten ohne lebenswichtigen Einsatzzweck spricht meist wenig gegen eine weitere Verwendung. Dennoch gilt: In kritischen Situationen oder bei wichtigen Dauermedikamenten empfiehlt sich stets der Gang zur Apotheke oder zum Arzt. Ein bewusster Umgang mit Arzneimitteln schützt so sowohl vor unnötigen Ausgaben als auch vor vermeidbaren Gesundheitsrisiken – Aspekte, die angesichts aktueller Herausforderungen im Gesundheitswesen an Bedeutung gewinnen.