Neue Studien stellen gängige Annahmen zum Fasten infrage

ADN
Eine umfangreiche Untersuchung stellt viele gängige Annahmen über das Fasten infrage. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die Auswirkungen des Nahrungsverzichts komplexer sind als bisher angenommen und eine differenzierte Betrachtung erfordern.
TL;DR
- Kein mentaler Leistungsverlust bei gesunden Erwachsenen durch Fasten
- Kinder reagieren empfindlicher auf ausgelassene Mahlzeiten
- Drei Faktoren beeinflussen kognitive Effekte des Fastens
Fasten und Gehirn: Ein Mythos auf dem Prüfstand
Werbung und Alltagserfahrung vermitteln seit Jahren ein klares Bild: Wer hungrig ist, wird weniger leistungsfähig – ein vermeintliches Naturgesetz, das sich tief im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert hat. Dennoch entscheiden sich immer mehr Erwachsene bewusst für intermittierendes Fasten oder zeitlich begrenzte Essenspausen. Die Motivation? In erster Linie die Aussicht auf bessere Stoffwechselgesundheit sowie effektive Gewichtskontrolle.
Was im Körper passiert: Metabolische Hintergründe
Dieses wachsende Interesse am Fasten lässt sich biologisch begründen. Nach rund zwölf Stunden ohne Nahrungsaufnahme nutzt der Körper seine Energiereserven anders: Der Stoffwechsel schaltet vom Glukoseverbrauch auf sogenannte Ketonkörper um. Diese Umstellung ermöglicht es dem Gehirn, weiterhin effizient zu arbeiten – ein Mechanismus, der in früheren Zeiten überlebenswichtig war. Heute sprechen viele Studien von Vorteilen wie verbesserter Zellreinigung (Autophagie), günstigen Effekten auf den Stoffwechsel und einem verringerten Risiko für chronische Krankheiten infolge von Überernährung.
Cognitive Auswirkungen: Ergebnisse aus sieben Jahrzehnten Forschung
Trotz aller Versprechen stellt sich jedoch die Frage, ob eine ausgelassene Mahlzeit tatsächlich unsere geistige Leistungsfähigkeit schmälert. Eine umfassende Meta-Analyse unter Leitung von David Moreau (Universität Auckland) nahm 71 unabhängige Studien mit insgesamt 3.484 Teilnehmenden unter die Lupe. Das überraschende Resultat: Bei gesunden erwachsenen Probanden fand sich kein messbarer Einfluss des Fastens auf kognitive Leistungen wie Aufmerksamkeit, Gedächtnis oder exekutive Funktionen.
Mehrere Faktoren erklären diese differenzierten Ergebnisse:
- Alter: Besonders Kinder und Jugendliche reagieren empfindlich; ihre Konzentration leidet deutlich unter ausgelassenen Mahlzeiten.
- Tageszeit: Tests am späten Tag verstärken die Auswirkungen des Fastens.
- Tätigkeitsart: Aufgaben mit Bezug zu Nahrung führen beim Fastenden schneller zur Ablenkung.
Einschätzung: Individuelle Entscheidung statt allgemeiner Warnung
Für erwachsene, gesunde Menschen scheint das gelegentliche Auslassen von Mahlzeiten also keine Gefahr für die geistige Leistungsfähigkeit darzustellen. Allerdings bleibt Vorsicht geboten – vor allem bei Heranwachsenden oder in Berufen, bei denen die maximale Aufmerksamkeit gefordert ist. Ob jemand vor einem wichtigen Termin wirklich frühstücken sollte? Für Kinder zweifellos empfehlenswert, für Erwachsene letztlich eine individuelle Abwägung – denn eine universelle Regel gibt es hier nicht.